Veröffentlicht von Jan-Ole Claussen am Donnerstag, 5. August 2021, 15:02 Uhr
Burg – Als die Landesstelle für Psychosoziale Notfallversorgung, angesiedelt im Kieler Innenministerium, den Burger Pastor Hans-Ulrich Seelemann fragte, ob er bereit sei für einen Seelsorge-Einsatz im Hochwassergebiet in Nordrhein-Westfalen, zögerte dieser nicht lange und sagte sofort zu. Schon wenige Tage später befand Seelemann sich mit 700 schleswig-holsteinischen Helfern von THW und Feuerwehr, aber auch mit 14 weiteren Notfallseelorgerinnen und Notfallseelsorgern auf dem Weg in das Katastrophengebiet. Die Aufgabenstellung: Betroffenen und Opfern vor Ort zur Seite stehen, aber auch den Einsatzkräften. Denn für sie können Einsätze – zumal in derlei Extremsituationen – eine enorme Belastung sein. Um die Belange der Helfer weiß Seelemann selbst nur allzu gut: Er ist aktives Mitglied der Feuerwehr Burg sowie Fachwart für Feuerwehrseelsorge im Kreisfeuerwehrverband Dithmarschen.
Was Seelemann vor Ort erlebt und gesehen hat, „übersteigt alles, was einem schon Fernsehbilder eindrucksvoll zu vermitteln versuchen“. Zerstörte Straßen, Häuser und Brücken, Unmengen an Schlamm, Orte ohne Strom, fließend Wasser oder nur eine einzige befahrbare Zufahrtstraße – das war im Hochwassergebiet leider keine Seltenheit. „Fast alle im Team haben vor Ort erst mal kurz gebraucht, um das alles zu realisieren“, so Seelemann, der mit seinen Kolleginnen und Kollegen in Bad Neuenahr, in Ahrweiler und in Sinzig gewesen ist, um zu helfen. Einfach unwirklich und gruselig sei die Szenerie gewesen. „Das Hochwasser hat so viel Not und Elend gebracht, das ist unbegreiflich – in vielen Orten ist einfach alles weg, sind Tote und Verletzte zu beklagen, stehen die Menschen vor dem Nichts.“
Wie dort als Pastor helfen? „Wir Seelsorger haben festgestellt, dass es viel Redebedarf gibt, bei den Einwohnern, aber auch bei den Einsatzkräften“, erzählt der Burger Pastor. Viele kleine Gespräche hätten sie geführt, Trost gespendet, Mut zugesprochen, seien für die Menschen einfach dagewesen. „Viele Bewohner realisieren jetzt erst, Wochen nach der Katastrophe, was ihnen widerfahren ist, was da geschehen ist. Erst jetzt kommen sie ein bisschen zur Ruhe, waren vorher mit Trauer, Sorge und Aufräumarbeiten beschäftigt“, so Seelemann. Er hofft daher, dass den Menschen auch in der kommenden Zeit nicht nur finanziell, sondern auch seelsorglich weiterhin geholfen werde, „das ist aus meiner Sicht absolut wichtig“.
Trotz des großen Leids habe er aber auch viel Herzlichkeit, Dankbarkeit und Zusammenhalt erlebt: „In so einer Situation merkt man, dass die Menschen zusammenrücken, sich gegenseitig unterstützen. Da wird hier mal eine Kiste Wasser hingestellt, werden dort Äpfel verteilt und Lebensmittel miteinander geteilt, gibt es unglaubliche Freude über wieder funktionierende Wasserleitungen. Dann sind es oft auch vermeintliche Kleinigkeiten, die eben gerade nicht so selbstverständlich verfügbar sind, wie wir alle es sonst in unserem Alltag kennen.“ Für die Helfer sei es bei aller Anstrengung eine große Freude zu helfen – und der Applaus beispielsweise für den schleswig-holsteinischen Konvoi am Abend auf dem Weg zurück in die Unterkunft in der Sporthalle von Windhagen eine tolle Geste der Einwohner. „Das zeigt, wie wichtig so ein Hilfs- und auch Seelsorgeeinsatz ist.“
Nachdem für Seelemann klar gewesen war, dass es in das Katastrophengebiet geht, habe er sich nochmals vorbereitet, erzählt er, habe sich sein erlerntes Handwerkszeug vorgenommen und vor allem versucht, ruhig und entspannt zu bleiben. „Auf dem Weg dorthin gab es natürlich auch mulmige Momente, was uns dort wohl wirklich erwarten würde, aber wir waren ein sehr nettes Team, das sich auch gegenseitig unterstützt hat“, berichtet er. Positiv sei bei den Einsatzkräften aufgenommen worden, dass Seelemann und die anderen Seelsorger auch abends nach dem Einsatz mit ihren lila Westen in der Unterkunft präsent waren und damit stets als Ansprechpartner zur Verfügung standen. „Nach den anstrengenden Tagen sind es manchmal gerade dann die ruhigen Momente vor der Nachtruhe, wo manche und mancher noch etwas loswerden will und Hilfe braucht, das Erlebte zu verarbeiten.“ Er hofft, dass durch diese enge Betreuung und Begleitung insbesondere der Einsatzkräfte auch dort die „großen Krisen“ ausgeblieben sind. „Wenn Seelsorge in einen Einsatz eingebunden ist, ist das sinnvoll und für viele eine echte Hilfe. Wir können ein bisschen stabilisieren und auffangen und lassen die Helfer nicht allein in ihren Gedanken und Emotionen“, stellt Seelemann immer wieder fest – in Katastropheneinsätzen wie diesen, aber auch in den „normalen“ Einsätzen seiner Kameradinnen und Kameraden in Dithmarschen.
Die Diakonie Deutschland bietet die Möglichkeit, gezielt für die Opfer der Hochwasserkatastrophe zu spenden.
Online geht dies sehr einfach: https://www.diakonie-katastrop…
Oder klassisch per Überweisung:
Evangelische Bank
IBAN: DE68520604100000502502
BIC: GENODEF1EK1